Massage für Mensch und Pferd? Teil 1
Warum ist Massage so wichtig? Und dann noch für Mensch und Pferd?
Ganz einfach. Kaum eine Sache vereint so viele positive Effekte in sich wie die Massage:
- Sie hat so ziemlich die selben Effekte für Pferd und Reiter, das heißt, auf dieser Ebene muss mal nicht „übersetzt“ werden. Beim Massieren kannst du – wenn du einige wichtige Regeln beachtest – sehr intuitiv arbeiten und erzielst tolle Ergebnisse. Außerdem kannst du vieles, was du mit deinem Pferd vorhast, auch problemlos an dir selbst testen und so ein besseres Gefühl dafür bekommen, was du da eigentlich tust.
- Sie wirkt sowohl auf mentaler / seelisch-geistiger Ebene als auch auf körperlicher Ebene und kann beides besser in Einklang bringen.
- Körperliche Funktionen:
- Kreislauf und Durchblutung werden angeregt
- Muskulatur wird entspannt
- Das Hormon Oxytocin, das unter anderem für zwischen“mensch“liche Bindung und Vertrauen zuständig ist, wird vermehrt ausgeschüttet, Stresshormone werden reduziert ausgeschüttet.
- Das Immunsystem wird gestärkt (nicht zuletzt auch durch den positiv beeinflussten Hormonhaushalt)
- Mentale Funktionen (die sich quasi bereits aus den körperlichen ergeben):
- Entspannung (weshalb diese für uns in der Arbeit mit dem Pferd so unglaublich wichtig ist, erfährst du hier)
- Wachsendes Vertrauen
- Selbstvertrauen/Selbstwert/Selbstliebe wird gesteigert
- Die Körperwahrnehmung verbessert sich
- Mehr Wohlbefinden
Wie sollte ich das Massieren anfangen?
Zunächst einmal, und das gilt für Mensch und Pferd, muss hier eine Unterscheidung getroffen werden. Es gibt Entspannungsmassagen, die einfach „nur“ gut tun, und medizinische Massagen, die zu Heilzwecken zum Beispiel bei Verletzungen eingesetzt werden. Sofern wir das nicht beruflich gelernt haben und keine ausgebildeten Mediziner / Tierärzte sind, lassen wir letztere unbedingt bleiben. Das bedeutet: Massiert wird nur sanft und vor allem nur an gesunden Menschen und Tieren. Alles Andere ist schlichtweg aus gutem Grund nicht erlaubt, denn wer unprofessionell an Verletzungen „herumdoktert“, der kann mehr Schaden zufügen, als ohnehin schon da war.
Bevor du jetzt ans Pferd stürmst und auf ihm herumdrückst, empfehle ich, falls du das noch nie getan hast, dir erst einmal einen Menschen zu suchen. Oder sogar mehrere. Dann könnt ihr das Massieren erstmal gegenseitig austesten. Ihr müsst dafür noch nichts „können“, sondern könnt einfach mal probieren, welche Berührung, zum Beispiel oben auf der Schulter, sich am besten anfühlt. Eher ein Streichen mit dem Daumen oder ein Drücken oder beides? Wie fest? Lieber ganz leicht oder doch mit etwas Druck? Der Vorteil an einem Menschen ist für diesen Schritt ein ganz wichtiger: Der Mensch sagt dir, wie es sich anfühlt, und er schreit, wenn es weh tut. Okay, gut, so weit lasst ihr es hoffentlich nicht kommen. Und er kann das ganze umgekehrt bei dir versuchen, damit du einschätzen kannst, wie sich bestimmte Griffe anfühlen. Das kannst du natürlich im Zweifelsfall auch selbst an deinem Arm probieren. Dabei geht es mir darum, dass du folgendes feststellst:
- Eigentlich möchtest du nur von jemandem massiert werden, dem du vertraust. Stell dir mal eine Reihe von Menschen vor, die du nicht magst. Und dann stell dir vor, die wollen dir den Nacken massieren. Ist das eine angenehme Vorstellung? Eher nicht, richtig? Mach dir klar: So geht es auch deinem Pferd. Obwohl Massagen und Streicheleinheiten auch für die meisten Pferde etwas Schönes sind, sollte eine gewisse Art der Bindung schon bestehen. Diese vertieft sich ja insbesondere durch das Massieren, aber es ist wichtig, dass das Pferd dich bereits an seinem Körper akzeptiert, sonst wird es sich eher bedroht oder genervt fühlen, als zu entspannen. Dein Pferd wird dir signalisieren, wofür es schon bereit ist. Dazu später mehr.
- Manche Berührungen fühlen sich vielleicht anders an, als man erwartet. Verschiedene Berührungen haben völlig verschiedene Effekte. Viele von uns sind zum Beispiel anfangs kitzlig, wenn man sie mit den Fingerspitzen an den Fußsohlen berührt. Wenn man mit der Handfläche oder dem Handballen beginnt, ist eine Fußmassage aber bald kein Problem mehr. Auch das ist gut zu wissen für diejenigen, die mit einem sehr sensiblen Pferd umgehen. Wir möchten ja keine nervige, kitzelnde Fliege für unser Pferd sein, sondern ein wohltuender Artgenosse.
- An manchen Stellen kann man fester massieren, an anderen nur ganz sanft. Auch wenn das von Mensch zu Mensch (und von Tier zu Tier) sehr unterschiedlich sein kann, gibt es ein paar Richtlinien, an denen du dich orientieren kannst. Du kennst sie vielleicht sogar schon vom Pferde putzen, denn das ist ja auch eine Art Massage:
- Dort, wo viel Muskel zu spüren ist, kann man in der Regel ein wenig kräftiger massieren. Bei uns Menschen bietet sich da immer die Schulterpartie oder der Rücken zum Üben an.
- Dort, wo wenig Muskel oder „Speck“ zu spüren ist, also wo der Knochen dicht an der Haut liegt (Gelenke zum Beispiel, beim Pferd auch das Röhrbein oder bestimmte Teile des Gesichts), wird gar nicht oder nur ganz vorsichtig massiert.
Jetzt aber ans Pferd!
Falls du das nicht schon getan hast, ist ein guter Anfang am Pferd immer das Beobachten beim Putzen. Das kennt ihr beide ja schon. Hast du mal darauf geachtet, wie dein Pferd reagiert, wenn du es putzt? Wenn es nicht völlig abgestumpft ist und aufgegeben hat, beim Putzen mit seinen Menschen zu „erzählen“, dann wird es sich eigentlich die ganze Zeit mitteilen. Was sagt es dir also?
Hast du schon einmal gesehen, wie ein Pferd auf eine Fliege an seinem Bauch reagiert? Erst zuckt die Haut an dieser Stelle, dann schlägt es mit dem Schweif. Manche heben auch das Hinterbein und versuchen, damit die Fliege zum Abheben zu bewegen. Wenn dein Pferd so reagiert, wenn du es putzt oder berührst, hast du es vermutlich gekitzelt oder gestört. Das passiert oft bei Pferden, die sehr sensibel sind. Kitzelgefühle und Schmerzen möchten wir natürlich nicht verursachen. Wie du das vermeiden kannst, liest du bald hier. Wir möchten, dass das Pferd entspannt und genießt, sich wohlfühlt und uns vertraut.
Wie sieht ein entspanntes Pferd beim Putzen aus?
Anzeichen dafür, dass ein Pferd entspannt, sind zum Beispiel die folgenden:
- Es hat einen zufriedenen, ruhigen Gesichtsausdruck.
- Die Ohren zeigen locker zur Seite.
- Die Augen sind halb geschlossen.
- Es hat einen Huf auf die Spitze gestellt.
- Der Pferdekopf ist eher tief getragen (das kannst du gut beim Dösen auf der Weide beobachten)
- Der Schweif hängt locker, aber ist nicht zwischen den Hinterbacken „eingeklemmt“
Alles in allem gibt das Pferd also seine überhöhte Aufmerksamkeit beziehungsweise seine Alarmbereitschaft auf, weil es sich bei dir (seiner momentanen Herde) sicher genug fühlt.
Es gilt jetzt also beim Putzen oder Kraulen herauszufinden, was dein Pferd dazu veranlasst, eine solche entspannte Haltung einzunehmen. Bei manchen Pferden ist das gar kein Problem, für sehr sensible Pferde ist das eher eine Herausforderung. Klar, du würdest dich auch nicht entspannen, wenn du in jedem Moment damit rechnest, dass dich jemand kitzelt, oder? Daher ist es so wichtig, dass du weißt, was du tust, und dass dein Pferd weiß, dass du das weißt. Die ersten Schritte hierfür lernst du in Teil 2 der Massageserie.