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Visualisierung – Ich sehe was, was du nicht siehst!

Was ist Visualisieren und warum ist es so toll?

Visualisierung ist wortverwandt mit dem lateinischen Wort „visualis“ und bedeutet in etwa „Sichtbarmachen“. Das Wort wird in verschiedenen Bereichen verwendet, oft geht es hierbei um das Umwandeln eines Gedankengangs in ein Bild / eine Grafik. In unserem Kontext spreche ich eher von einer Art Meditationsübung. Es geht darum, dass du vor deinem inneren Auge siehst, was du erreichen möchtest. Dazu später mehr.

Was wichtig zu verstehen ist, ist, dass diese Methode eine sehr natürliche Art zu denken darstellt. Auch wenn es für uns im ersten Moment erstmal exotisch klingt, schließlich werden wir den ganzen Tag über von Zeitungen, Smartphones und Monitoren mit Bildern beliefert. Dazu kommt, dass Visualisierungen am ehesten in Zuständen der Entspannung möglich sind – am Anfang zumindest – und wir uns auch dafür mittlerweile nur noch wenig Zeit nehmen. Eigentlich ist das für uns einer großer Verlust an unseren eigenen Ressourcen. Unser Gehirn denkt sehr, sehr oft in Bildern. Spätestens nachts wird das klar: Wir verarbeiten durch Träume. Durch Bilder. Im Übrigen ist das bei uns allen gleich. Diejenigen, die sagen, sie träumen nicht, können sich einfach nicht mehr daran erinnern. Träumen ist ein natürlicher „Hygiene“prozess unserer Psyche, den hat eigentlich jeder. Visualisieren bedeutet für uns nun in erster Linie, diese Bilder tagsüber und bewusst entstehen zu lassen. Wir füttern unser Gehirn also mit der Information darüber, was wir erreichen möchten. Und programmieren uns gleichzeitig „heimlich“ darauf, auch unbewusst darauf zuzusteuern. Das müssen übrigens nicht immer Bilder sein, die wir uns ausdenken. Oft sind es auch Erinnerungen. Wir lernen ja auch als Kinder durch Nachahmen. Wir haben als Baby bereits unsere Mama beobachtet und abgespeichert, was ihr Gesichtsausdruck für uns bedeutet! Unsere gesamte Umgebung haben wir so kennen und damit umgehen gelernt.

Mein Lieblingsbeispiel von mir selbst liegt Jahre zurück. Damals wurde ich noch longiert, weil ich nicht bereit für die „richtige“ Reitstunde war. Mir fehlte noch das Leichttraben. Ich versuchte das immer wieder, bekam es aber absolut nicht hin. Mein Sitz war gut, alles Andere funktionierte, aber beim Leichttraben verstand ich einfach den Sinn und den Takt nicht. Mein Vater sagte nach der Stunde zu mir, ich solle bei den anderen Reitern zuschauen. Ich (war ja noch ein Kind) fand das völlig sinnfrei, ich wollte lieber selber üben, aber das ging ja gerade nicht. Die Reiter trabten und einige trabten leicht. Ich speicherte das ab, ohne es zu bemerken. In meiner nächsten Longestunde war das Leichttraben gefragt. Ich spürte förmlich den „Click“ in meinem Kopf, der auf eine kurze Erinnerung dessen, was ich beobachtet hatte, folgte. Von einem Moment auf den anderen hatte ich hiermit nie wieder ein Problem. Mein Hirn hatte verarbeitet: So sieht das aus, da wollen wir hin, okay, das machen wir.

Warum brauche ich das fürs Reiten?

Eigentlich ergibt sich aus dem letzten Abschnitt schon: Visualisieren ist in jeder Lebenslage hilfreich. In der Welt der Pferde ist das gleich doppelt richtig. Gut, das hängt ein wenig vom eigenen Ansatz ab. Viele gehen inzwischen davon aus, dass man sich mit Pferden (und anderen Wesen) über innere Bilder verständigen kann. Selbst bei renommierten Pferdetrainern lese oder höre ich in letzter Zeit immer mal wieder als Antwort auf die Frage „Wie bewegst du dein Pferd dazu, xyz zu tun?“ ein kurzes: „Ich schicke dem Pferd ein Bild“. Am Anfang staunte ich darüber nicht schlecht, bin aber sehr froh, dass sich diese Sichtweise offenbar immer mehr durchsetzt.

Wer das alles für Humbug hält, wird dennoch mit der Vorgehensweise Erfolg haben. Lediglich die Erklärung dahinter ist eine andere. Wer mit seinem Pferd etwas trainiert, braucht ein Ziel. Wir arbeiten ja in eine bestimmte Richtung. Wir möchten, dass das Pferd etwas Bestimmtes tut oder nicht tut. Je klarer wir dieses Ziel vor Augen haben, desto schneller kommen wir dort hin. Nicht zuletzt, weil wir unserem Pferd unmissverständliche Signale geben. Wir überlegen nicht zwischendrin „ist das ein erwünschter Zwischenschritt?“. Wir sehen stattdessen vor uns wie das Ergebnis aussehen soll und bewegen uns – auch mit Pferd – instinktiv direkt darauf zu.

Wie kann ich es üben?

Wichtig ist zuerst einmal, dass du entspannt bist. Du musst jetzt nicht in tiefe Meditation gehen, aber dein Geist sollte ruhig und frei sein können. Deshalb bietet sich eine solche Anfangsübung erstmal am Abend vor dem Einschlafen oder am Morgen direkt nach dem Aufwachen an, wenn du ungestört und in Ruhe bist. Such dir einen einfachen Gegenstand, den du gut kennst. Einen Apfel zum Beispiel oder deine Lieblingsblume. Schließ die Augen. Jetzt frag dich, wie der Apfel aussieht. Ist er klein oder groß? Grün, gelb, rot oder von allem ein bisschen? Wie riecht er? Wie fühlt er sich an? Je mehr Sinne und Emotionen du mit einbeziehst, desto lebhafter wird dein Bild und desto besser kannst du es dir einprägen, weil es mehr Verknüpfungen im Gehirn bekommt (also statt „nur“ ein Bild ist es dann ein „Bild verknüpft mit einem Gefühl verknüpft mit einem Geruch“ und so weiter). Generell gilt: Dinge, zu denen wir eine emotionale Verbindung haben, prägen wir uns besser ein. Das ist jetzt für den Apfel nicht so wichtig (es sei denn dir liegt wahnsinnig viel an ihm 😉 ), zum lernen mit und ohne Pferd allerdings sehr gut zu wissen.

Aufbauend auf meiner eigenen Geschichte zum Leichttraben empfehle ich an dieser Stelle, so viel wie möglich zu beobachten. Such dir die Lektion, die du lernen möchtest, auf youtube, und schau sie dir an, bis du sie quasi weiter abspulen kannst, selbst wenn du die Augen schließt. Warum ist es allerdings noch besser, sich das gleiche im eigenen Stall von jemandem abzuschauen, der es schon kann?
Richtig: Weil du Gefühle damit verbindest und mehr Sinne einbeziehst. Du spürst vielleicht das Holz der Bande, riechst den Pferdegeruch und siehst deine Lektion. Dabei fühlst du dich im besten Fall noch aufgeregt-glücklich, weil du gerade fasziniert von dem bist, was du lernst. Beste Voraussetzungen für gutes Lernen.

Ein ganz großer Vorteil sollte an dieser Stelle noch erwähnt werden. Davon ausgehend, dass die Person, von der du lernst, das auch wirklich gut kann: Beim Zuschauen und Beobachten lernst du nicht nur den Teil, auf den du konzentriert warst, sondern du lernst Antworten auf Fragen, die du dir noch gar nicht gestellt hast, gleich mit ohne es zu wissen. Am Beispiel Bodenarbeit: Du lernst nicht nur, welche Signale/Kommandos dein Vorbild dem Pferd gibt, sondern auch, welche Körperhaltung und Gestik die Person hat und wie genau das Pferd reagiert. Das ist von unschätzbarem Wert, denn damit ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass du vieles instinktiv (beziehungsweise durch unbewusstes Nachahmen) direkt richtig machst.

Wie geht es weiter?

Du wirst es vermutlich nicht zu deinem Hobby machen, dir jeden Morgen und jeden Abend minutenlang einen Apfel vorzustellen. Dennoch sind solche Übungen für ein paar Tage oder sogar Wochen sehr gut, um einschätzen zu können, wir „echt“ so eine Visualisierung tatsächlich irgendwann wirken kann. Während man anfangs noch seinen Apfel „erahnt“, hat man irgendwann eher ein HD-Bild so richtig in Farbe. Es gibt Tage, an denen das besser und welche, an denen das weniger gut klappt. Das ist nicht schlimm. Wichtig ist, dass du weißt, was da möglich ist und wie du es für dich nutzen kannst. Mach doch mal eine Experimentierwoche! Stell dir, bevor du in den Stall gehst, ganz in Ruhe und ganz genau vor, was du heute machen möchtest. Bis das Bild sich völlig natürlich anfühlt. Und dann geh in den Stall und probier es aus. Wie klappt es besser, mit oder ohne vorherigem Visualisieren?

Lass mir gern einen Kommentar da, wie es geklappt hat. Ich beantworte natürlich auch gern Fragen, die dazu noch offen sind! Viel Spaß beim Testen!

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