Massage für Mensch und Pferd? Teil 2
Sooo, weiter geht es mit Teil 2 unserer Massagereihe.
Beim letzten Mal habe ich dir erklärt, was die Vorteile von Wohlfühlmassagen sind und weshalb du zuerst an dir oder an einem anderen Menschen testen solltest, was du mit deinen Händen so alles verursachen kannst. Zu guter letzt habe ich dich wissen lassen, woran du erkennst ob du dein Pferd denn nun gerade entspannst oder nicht. Wie du das erreichen kannst, darum geht es heute.
Welche Bewegungen du genau mit deinen Händen oder Armen machst, bleibt dir eigentlich vollkommen selbst überlassen, dein Pferd wird dir schon mitteilen, was ihm gefällt und was nicht. In den nächsten Beiträgen werde ich dir zwar den ein oder anderen „Kniff“ vorstellen, aber eigentlich sind hier deiner Phantasie keine Grenzen gesetzt. Zuerst geht es jetzt darum, zu schauen, was dein Pferd eigentlich mag. Du wirst vermutlich schon wissen, ob es ein eher sensibles Pferd ist oder ein eher weniger sensibles. Grundsätzlich gilt, jedes Pferd ist in der Lage, eine Fliege auf seinem Fell zu spüren – so richtig unempfindlich ist also keines. Dieser Gedanke bringt schon einen wichtigen Tipp mit sich, den du auch leicht an dir selbst ausprobieren kannst: großflächige Berührung ist am Anfang immer angenehmer als punktuelle Berührung.
Das bedeutet: Stell dir vor, du kommst zu deinem Pferd und drückst ihm ohne Vorwarnung die Kuppe deines Daumens in den Oberschenkel. Was denkst du, wird dein Pferd tun?
Richtig, es weicht wahrscheinlich einen Schritt zur Seite, schlägt mit dem Schweif oder wehrt sich sogar durch Treten oder Beißen. Eine solche Berührung als „Begrüßung“ ist ihm unangenehm. Entweder es fühlt ein Kitzeln (wenn du mit wenig Druck rangegangen bist), ist erschrocken oder das hat ihm sogar etwas weh getan, weil das Pferd nicht darauf vorbereitet war. Wenn der Muskel / das Pferd aber auf eine solche Berührung vorbereitet ist, kann das wiederum sehr angenehm sein. Wie bereitest du dein Pferd jetzt vor? Zum einen achtest du darauf, dass du seine Aufmerksamkeit hast, wenn du beginnst, es zu berühren. Du sprichst es also an und stellst sicher, dass es dich gesehen hat, wenn du ans Pferd trittst. Dann erst fasst du es an. Hierbei gibt es eigentlich nur 3 Dinge zu beachten:
- Du beginnst mindestens mit einer handflächengroßen Berührung. Weshalb, habe ich ja eben schon erklärt.
- Du beginnst an Körperstellen, die nicht allzu sensibel sind. Auch das ist wie gesagt von Pferd zu Pferd sehr unterschiedlich, aber im Regelfall lässt sich sagen: Gesicht, Bauch, Flanken und die Innenseiten der Beine und Hinterbacken sind oftmals sehr empfindlich.
- Du beginnst mit wenig Druck und steigerst ihn dann. Allerdings bedeutet das nicht, dass du so zart wie möglich die Berührung beginnst, denn auch das wird oft als Kitzeln empfunden. Du kannst damit anfangen, einfach ganz normal ohne Druck die Hand aufs Pferd zu legen und es dann abzustreichen, damit es sich auf die Berührung einstellen kann. Das ist nicht zuletzt deshalb wichtig, weil ein unvorbereiteter, kalter Muskel zur Verkrampfung neigt. Das heißt, im schlimmsten Fall bewirkst du, wenn du den Muskel nicht aufwärmst, das Gegenteil von Entspannung. Das Aufwärmen kommt durch dieses Abstreichen mit ansteigendem Druck automatisch, weil die Durchblutung und der Stoffwechsel hierbei angeregt werden.
Dann kannst du das alles stufenweise steigern, so weit es deinem Pferd angenehm ist. Wenn es sich mit diesen Anfängen vertraut gemacht hat und entspannt ist, kannst du mit mehr Druck streichen, einzelne Partien wie beispielsweise die Oberschenkelmuskeln auch leicht mit den Fingern bearbeiten oder auch Gesicht und Bauch vorsichtig abstreichen. Viele Pferde wissen am Anfang nichts so recht damit anzufangen, weil sie es nicht gewohnt sind. Diese anfängliche Skepsis weicht im Regelfall recht schnell einer entspannten Wohlfühlreaktion. Um das zu unterstützen, kannst du natürlich auch arttypische Streicheleinheiten einbauen, indem du mit deinen Fingern das Knabbern am Mähnenkamm oder, wenn es das Pferd schon zulässt, an der Schweifrübe imitierst. Das machen Pferde bei der gegenseitigen Fellpflege und beim Schmusen oft, deshalb wird das sofort verstanden und gern angenommen. Gerade beim Kraulen an der Schweifrübe lässt sich auch nochmal gut ablesen, wie wohl sich dein Pferd mit solchen Berührungen schon fühlt. Ist es noch nicht so weit, wird es den Schweif eventuell ängstlich einklemmen oder dich versuchen durch Schweifschlagen abzuwehren. Dann brauchst du noch ein bisschen Geduld. Um die angrenzenden Muskelpartien etwas zu lockern, kannst du mit dem Schweif auch ein wenig spielen, indem du die Rübe in die Hand nimmst und vorsichtig (!) ein wenig kreisen lässt, so weit sie widerstandslos mitgeht.
Generell und bei allem gilt: Wenn Widerstand auftritt, stellst du den Druck sofort ein. Das Pferd soll auf keinen Fall lernen, dieses Ritual mit etwas Unangenehmem wie sogar Schmerz zu verbinden. Es muss darauf vertrauen können, dass du ihm in diesem Zeitraum immer nur Gutes tun willst, sonst kann es sich nicht fallen lassen. Sobald es also signalisiert, dass ihm etwas unangenehm ist, signalisierst du: „Oh, das wollte ich nicht, ich hab dich verstanden und lass es sein“. Im Idealfall hast du verstanden was das Problem war: Warst du zu schnell? Hast du zu fest aufgedrückt? Sollte das Pferd aus völlig unerklärlichen Gründen reagiert haben, ist das vielleicht ein wichtiger Hinweis, dass an dieser Stelle etwas nicht stimmt. Eventuell bist du auf eine Verletzung gestoßen, die dir nicht bewusst war. In diesem Fall lässt du diese Stelle natürlich aus und lässt einen Tierarzt schauen.
Als kleiner Zusatztipp für solche Fälle ist zu sagen: Auch wenn das Stoppen des Drucks unwillkürlich erfolgen sollte (also sofort wenn das Pferd signalisiert: „Das mag ich nicht!“), bedeutet das nicht, dass du zurückweichen musst. Damit erweckst du vielleicht den Eindruck, dass jetzt etwas Schlechtes passiert ist und das Pferd speichert das so ab. Dabei ist das gar nicht der Fall. Wenn ich massiere und Tiziano mir zu verstehen gibt „Hier bin ich verkrampft, das ist unangenehm“, lasse ich sofort den Druck nach, aber ich lasse die Hand einfach auf der Stelle liegen. Zum einen versteht er, dass das „Böse“ nicht die Berührung ansich war, und zum anderen reißt die Energie nicht direkt ab.
Auch das ist ein kleiner, aber sehr wirksamer genereller Tipp, der für Mensch und Tier gleichermaßen gilt und insbesondere bei sensiblen Wesen einen großen Unterschied macht. Wenn ich mit einer Hand massiere, lasse ich die andere grundsätzlich am Körper des Gegenübers ruhen. Gleichermaßen lasse ich nicht in einer – wie eben beschriebenen – unangenehmen Situation einfach los. Ich lasse die Hand dann ruhen, bis wieder Frieden eingekehrt ist (im Regelfall sprechen wir hier von Sekunden), damit sie nicht versehentlich mit ins Register „unangenehmes Gefühl“ geschoben wird. Ich kenne durchaus Menschen (und Tiere), denen es nichts ausmacht, wenn sie plötzlich komplett „losgelassen“ werden. Aber es gibt eben auch die Sensibleren, für die es sich von einer auf die andere Sekunde „kalt“ und unangenehm anfühlt, wenn die Energie, auf die sie sich gerade so völlig einlassen, ganz plötzlich wieder weg ist. Daraus folgt nicht zuletzt, dass wir auf Massage nicht nur vorbereiten sollten, sondern idealerweise auch nur langsam, friedlich und am besten mit einem leisen Ritual beenden. Das kann ein Kommando sein oder ein sanftes Klopfen auf Hals oder Kruppe. Irgendetwas eben, was dem Pferd signalisiert, wir kommen jetzt zum Ende.
Welche eine Überleitung – auch ich komme für heute zum Schluss. Wenn dir der Artikel gefallen hat und auch du der Meinung bist, dass die Entspannung fürs Pferd in die Welt hinausgetragen werden muss, darfst du den Artikel natürlich gern teilen. In den nächsten Beiträgen zum Thema werde ich dann näher auf einzelne Massagebereiche und -griffe eingehen und auch nochmal darauf, weshalb der Reiter nicht nur das Pferd sondern auch sich selbst massieren (lassen) sollte.